Ich erflle keine Frauenquote - Schiedsrichterin Riem 11FREUNDE

Riem Hussein, meckern Männer auf dem Fußballplatz mehr als Frauen?
Das würde ich nicht sagen. Es wird zum Beispiel unabhängig vom Geschlecht gemeckert, wenn man eine unterschiedliche Linie hat. Also hier etwas pfeift, was man dort laufen lässt. Als Spieler hat man oft eine andere Sichtweise auf die Dinge als ein Schiedsrichter.
Sind Schiedsrichter, Funktionäre und Fans generell respektloser gegenüber Schiedsrichtern geworden?
Mittlerweile lastet mehr Druck auf den einzelnen Personen als noch vor zehn Jahren, deswegen ist auch die Anspannung größer. Ich weiß aber nicht, ob es schlimmer oder die Hemmschwelle niedriger geworden ist. Vielleicht lassen wir uns manchmal zu viel gefallen und denken uns: „Links rein, rechts raus“. Das ist aber nicht immer der richtige Weg, weil die Kritik dann möglicherweise nur noch lauter wird. Oft kann ich den Unmut auch verstehen. Wenn man empfindliche Niederlagen einsteckt, ist man gereizt. Ich bin selbst eine sehr schlechte Verliererin. Und wenn es zum Beispiel nur im Kartenspiel gegen meinen Vater ist.
Ist der Fußball speziell gegenüber Frauen aversiv?
Ich glaube nicht. Ich bekomme jedenfalls keine Vorurteile zu spüren. Im Vorfeld eines Spiels sowieso nicht, im Nachgang kommt es schon mal vor, dass nicht alle zufrieden sind. Aber das ist normal.
Fallen auch frauenfeindliche Aussagen?
Vielleicht denken sich manche Spieler, dass ihnen ein männlicher Schiedsrichter lieber ist. Gesagt hat das aber noch niemand. Es kümmert mich auch nicht. Wenn jemand denkt, Fußball oder der Schiedsrichterjob wären Männersache, belastet mich das nicht.
Warum gibt es nur zwei Schiedsrichterinnen im Männerprofifußball?
Das liegt auch daran, dass weniger Frauen als Männer Fußball spielen. Bei Frauen fischt man also in einem kleineren Teich. Deswegen müssten Sie eigentlich fragen, warum weniger Frauen Fußball spielen. Das kann damit zusammenhängen, dass es Frauen historisch gesehen noch nicht so lange erlaubt ist, Fußball zu spielen. Aber es entwickelt sich. Nur die Männer haben eben einen zeitlichen Vorsprung. Ich glaube jedenfalls nicht, dass ich als Schiedsrichterin im Männerprofifußball eine Frauenquote erfülle. Diesen Anspruch habe ich nicht.
Wie sind Sie eigentlich Schiedsrichterin geworden?
Bei einem C‑Jugend-Spiel meines jüngeren Bruders habe ich mal reingeschnuppert. Der Schiedsrichter ist damals nicht gekommen, die Vereine mussten sich einigen, wer das Spiel pfeift. Ich war als Zuschauerin vor Ort. Da niemand mit Schiedsrichterschein anwesend war, haben sich die Vereine gedacht: „Besser eine Fußballerin als niemanden“. Vielleicht wurde ich aber auch aus Mangel an Alternativen ausgesucht. (Lacht.)
Waren Sie überhaupt mit allen Regeln vertraut?
Allzu viel habe ich nicht davon verstanden. Natürlich wusste ich, wann es einen Freistoß oder einen Strafstoß gibt. Ich habe damals selbst in der Regionalliga gespielt. Aber in vielen Sonderfällen kennt man sich als Spieler ja gar nicht aus. Ich habe in Zivil gepfiffen und hatte nur eine Pfeife, einen kleinen Block und einen Kugelschreiber. Ich weiß gar nicht, ob ich eine Gelbe oder Rote Karte dabei hatte. Es ging aber alles fair vonstatten. Das hat mir Spaß gemacht, und ich wusste, dass ich das später einmal machen will. Zu diesem Zeitpunkt war ich 18 – eigentlich spät für den Einstieg.
Was macht für Sie den Reiz des Pfeifens aus?
Das Ziel, fehlerfrei zu sein und Gerechtigkeit zu erzeugen. Auch der Wunsch, dass nach dem Spiel keiner über einen spricht und möglichst alle zufrieden sind.
War es auch ein Antrieb, dass Sie zu Zeiten Ihrer aktiven Karriere häufig gemeckert haben?
Ich habe parallel zum Pfeifen noch vier Jahre lang gespielt. Und es wurde sogar noch schlimmer mit dem Meckern, als ich den Schiedsrichterschein bereits hatte. Ich wurde immer unzufriedener mit den Schiedsrichtern.
Weil Sie es nun besser wussten?
Ich habe häufig gedacht, dass ich es anders entschieden hätte. Trotzdem hat es mir geholfen, selbst gespielt zu haben.
Inwiefern?
Ich finde, es ist fast Voraussetzung, selbst gespielt zu haben. Ich könnte mir zum Beispiel gar nicht vorstellen, Handballspiele zu pfeifen, weil für mich als Zuschauer nicht richtig ersichtlich ist, was ein Foul ist und was nicht. Für mich sieht alles nach Foul aus. (Lacht.) Wenn ich jahrelang Handball gespielt hätte, könnte ich das bestimmt besser einschätzen.
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